Frank Vorpahl geht den Spuren der drei Polynesier Tupaia, Maheine und Mai nach – den bis heute verkannten indigenen Wegbereitern Captain Cooks bei der Entdeckung des Pazifiks.
Mit seinen legendären drei Weltreisen entdeckte der englische Seefahrer James Cook vor 250 Jah-ren den Pazifik. Plötzlich erschienen im endlosen Blau des Stillen Ozeans nicht nur Australien, Neuseeland, Tahiti und Hawaii auf europäischen Landkarten. Vielmehr gelang es Cook mithilfe seiner »gelehrten Gentlemen« an Bord, erste Kontakte zu den unbekannten Menschen der Südsee herzustellen.

Zwar stehen in Cooks Logbüchern immer wieder Eintragungen über »first encounters«, doch von den Polynesiern, die Cooks Expeditionen entscheidend unterstützten – ohne zu wissen, ob sie jemals wieder in ihre Heimat zurückkehren würden – findet man kaum eine Spur. Verkannt, vergessen oder bewusst unterschlagen?
Zunächst Tupaia: Der Meisternavigator, Hohepriester und Chefberater der Herrscher Tahitis beeindruckte die Briten 1769 so sehr, dass sie ihn zu ihrer ersten großen Pazifik-Expedition an Bord der Endeavour einluden. Er verfertigte auf der Fahrt eine Karte der Südsee, in deren letzter Version ein Gebiet von Tausenden von Meilen mit über 70 Inseln dargestellt ist. Schon in seiner Jugend hatte er seine außergewöhnlichen nautischen Kenntnisse und Fähigkeiten mit einer Kanufahrt über Tausende Kilometer bis nach Tonga unter Beweis gestellt. Nun bewahrte er die britischen Schiffe vor den gefährlichen Korallenriffen, die die Inseln Ozeaniens oft wie eine Festung umgeben. Doch nicht nur das: Mit größtem diplomatischen Geschick ermöglichte er die Selbstversorgung von Cooks Crew an fremden Gestaden. Und er bewahrte die Briten davor, von den polynesischen Bewohnern Neuseelands, den Maori, umgebracht zu werden – so wie alle europäischen Invasoren zuvor.
Gleichwohl verfolgte Tupaia ganz eigene Ziele. So gelang es ihm, als Mitreisender auf der Endeavour seinen eigenen Kult weit in der Südsee zu verbreiten.
Womöglich wäre Tupaia für immer namenlos geblieben, wenn nicht Georg Forster, Cooks naturwissenschaftlicher Begleiter, seine leicht geänderte Kopie von »Tupaias Karte« einem Brief an seinen Verleger beigelegt hätte: Das erste schriftliche Dokument, das das jahrtausendealte ungeheure nautische Wissen polynesischer Seefahrer belegt, die den Pazifik auf ihren Übersee-Kanus von Taiwan bis zur Osterinsel befuhren und zwischen Hawaii und Neuseeland besiedelten.

Auch Maheine aus Bora-Bora, der Cook auf der zweiten Weltumsegelung für fast ein Jahr begleitete, wurde von den Europäern vor allem als nützlicher Dolmetscher wahrgenommen. Tatsächlich waren seine genauen Kenntnisse unterschiedlicher Wertvorstellungen zwischen den polynesischen Inseln für Cooks Forschungsreise Gold wert. Maheine war es, der dafür sorgte, dass die Europäer auf Tonga erstmals große Mengen von roten Federn erhandelten – die wiederum auf Tahiti als kostbare heilige Statussymbole der Adels- und Priesterkaste galten und die Briten bei deren Rückkunft dort in die komfortable Lage versetzten, ihre Schiffsbäuche im Tausch gegen die Federn nicht nur mit Hunderten Schweinen und Hühnern zu füllen, sondern auch mit Kultobjekten, Waffen und Werkzeugen, von denen viele ihren Weg in europäische Museen fanden.

Mai, ein Schüler Tupaias, wurde schließlich als »Südsee-Prinz« in Europa berühmt, weil er die Briten 1774 bis nach London begleitete. Dort wurde er in den Salons der Stadt oder am Hofe König Georgs III. als völkerkundliche Kuriosität herumgereicht, von berühmten Malern porträtiert, ehrfürchtig bestaunt oder als Barbar karikiert. Seine tatsächliche Motivation bestand jedoch darin, britische Feuerwaffen zu beschaffen, um seine Heimatinsel Raiatea von den Invasoren der Nachbarinsel Bora-Bora befreien zu können.

Frank Vorpahl ist promovierter Historiker, Autor, Kurator, Filmemacher und Chef vom Dienst bei Aspekte (ZDF). Seit vielen Jahren beschäftigt er sich intensiv mit Georg Forster sowie James Cooks Südsee-Expeditionen. Im Zuge seiner intensiven Recherchen war er oft in der Südsee und kura¬tierte Ozeanien-Ausstellungen in Deutschland und Tonga.
2007 initiierte er die illustrierte Neuausgabe von Georg Forsters Reise um die Welt in der ANDERE BIBLIOTHEK. 2018 veröffentlichte er Der Welterkunder. Auf der Suche nach Georg Forster.

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Im Gespräch, © Birte Timmermann, SBB-PK
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Frank Vorpahl und Bénédicte Savoy bei der Buchpremiere in der Staatsbibliothek zu Berlin, © Birte Timmermann, SBB-PK